(als pdf) Die Lehrerkammer begrüßt die Anhebung der Höchstkostensätze sowie die Verbesserungen für PädagogInnen im Bereich der Zahlungsverpflichtung der Eltern bei Pflichtfahrten. Kritisch sieht sie insbesondere die erhebliche Verlängerung der Genehmigungsfristen. Zudem ist sie der Ansicht, dass die Richtlinie die Gelegenheit verpasst, Undeutlichkeiten in den übernommenen Formulierungen der Vorgängerrichtlinie klarzustellen und an die heutigen Realitäten anzupassen. – Im Einzelnen:
Grundsätzlich ist in der Richtlinie von „Lehrerinnen und Lehrern“ die Rede. Der Professionenmix an den Schulen wird sprachlich nicht berücksichtigt (bspw. ErzieherInnen im Bereich der Ferienfahrten des Ganztages, vgl. 1.2.2). Die Lehrerkammer schlägt vor, stattdessen von „LehrerInnen und pädagogisch-therapeutischem Fachpersonal“ zu sprechen.
zu 1.2.2: Eine genehmigte Schulfahrt wird in der neuen Richtlinie Schulfahrten unter Ziffer 1.2. definiert. Zu unterscheiden ist in „Pflichtfahrten (Ziffer 1.2.1) und „freiwillige“ Schulfahrten (Ziffer 1.2.2). Aus pädagogischen Gründen haben an Schulen schon immer die unter Ziffer 1.2.2 aufgeführten Fahrten stattgefunden, weil sie für Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess von immenser Bedeutung sind. Daher werden sich Lehrkräfte immer wieder für solche Fahrten einsetzten. In Zeiten der selbstverantworteten Schule haben diese Fahrten noch eine weitere Funktion erhalten: Sie sind wichtig für die Profilschärfung der Schulen geworden und somit Teil eines Wettbewerbs unter den Schulen. Im Manteltext zum Entwurf der Neufassung der „Richtlinie Schulfahrten“ wird deutlich formuliert, dass die Zuweisung der BSB an die Schulen für die Lehrerreisekosten für die unter Ziffer 1.2.1 aufgeführten Schulfahrten gesichert ist. Allerdings muss die Schule die Finanzierung der Lehrerreisekosten für die Fahrten unter Ziffer 1.2.2 durch eine Umschichtung innerhalb des Selbstbewirtschaftungsfonds (SBF) ermöglichen. Aus Sicht der Lehrerkammer kann dies an einigen Schulen dazu führen, dass zusätzliche, für Schülerinnen und Schüler wichtige, „freiwillige“ Fahrten abgesagt werden müssen.
Die Lehrerkammer schließt sich der Aussage der BSB an (PM, 24. März 2016), dass das Geld für Schulfahrten gerechter verteilt werden muss. Gerecht muss aber nicht unbedingt gleich heißen. Schulen in besserer Lage sind durch die Ausstattung der Eltern in der Regel in der Lage schlechtere Ausstattung anders abzufedern.
Die Lehrerkammer fordert eine Lösung für die Finanzierung der Lehrerreisekosten für die so genannten „freiwilligen“ Fahrten, die nicht zu Lasten des SBF geht.
zu 2.1: Die Lehrerkammer schlägt vor, im zweiten Satz zu ergänzen: „in der Sekundarstufe II einmal und in der beruflichen Schule einmal an einer Klassen- oder Studienfahrt teilnehmen.“
zu 3.4: Die Formulierung der „geeigneten Begleitpersonen“ lässt aus Sicht der Lehrerkammer einen zu großen Interpretationsspielraum. Die Formulierung lässt nach wie vor offen, wann eine Begleitperson geeignet ist, wer darüber entscheidet, ob sie es ist, und wie viele Begleitpersonen nötig sind. Heutige Realitäten verlangen eine Klarstellung:
Reist eine LehrerIn mit einer Begleitperson, die keine Lehrkraft ist, trägt die LehrerIn nach Nr. 4 allein die Verantwortung. (Dies auch bei Begleitung durch eine pädagogisch-therapeutische Fachkraft – bei denen man doch wohl von der Eignung ausgehen kann.) Es muss daher bei nichtschulischen Begleitern sorgfältig geklärt werden, welche Eigenschaften eine Person geeignet machen. Darüber sollte im Einzelfall die begleitende Lehrkraft gehört werden. Der Lehrerkammer scheint es sinnvoll, dass die Schulleitung im Rahmen der Genehmigung auch die Eignung der Begleitpersonen prüft und die Verantwortung für die grundsätzliche Eignung übernimmt. Die Lehrerkammer schlägt vor, die Formulare für die Genehmigung entsprechend zu gestalten.
Seitens der Schulen besteht ein Interesse, die Lehrerreisekostenerstattungen so gering wie möglich zu halten, um den Selbstbewirtschaftungsfonds zu schonen. Dann sind zusätzliche Reisen ausfinanzierbar, was die Schulen attraktiver macht. Doch die Reisekosten müssen seit Neuestem im tatsächlichen Maß erstattet werden, was das Schulbudget erheblich stärker belastet als bisher. Dies schafft einen Druck, Schulfahrten mit möglichst wenig Begleitpersonen durchzuführen (trotz Zuweisung von Mitteln für je zwei Begleitungen durch die BSB). Die Lehrerkammer sieht darin Risiken: Bei Unfall, plötzlicher Erkrankung oder ähnlich dringenden Fällen kann die Begleitperson nicht gleichzeitig beim Hilfsbedürftigen und bei der Gruppe bleiben. Bei Übernachtungen besteht außerdem das notorische Problem, dass SchülerInnen bis tief in die Nacht hinein beaufsichtigt werden müssen. Am nächsten Tag steht dann ein pädagogisches Programm an, bei dem volle Dienstbereitschaft gefragt ist (vgl. auch Nr. 4 zur „kontinuierlichen“ Wahrnehmung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht). Dies ist von einer einzelnen Begleitperson nicht zu gewährleisten. (Zu verweisen ist auf einschlägige Regelungen zu Ruhezeiten und maximaler Arbeitszeit. Eine Klassenfahrt von Mo-Fr bspw. umfasst ca. 100 Stunden, bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden für die Beschäftigten.) Die Lehrerkammer stellt hierzu auch fest, dass die Lehrerarbeitszeit an etlichen Schulen nicht ausreicht, um eine Aufstockung für begleitende TeilzeitkollegInnen über VORM zu finanzieren, was die beschriebenen Dynamik noch verstärkt.
Die Lehrerkammer fordert daher die Ergänzung „Fahrten mit Übernachtung sind mit mindestens zwei geeigneten Begleitpersonen pro Reisegruppe bzw. pro Klasse durchzuführen, die die Aufsichts- und Fürsorgepflicht nach Nr. 4 verantworten können. Im Rahmen der Koedukation sollen die Schulklassen von einer weiblichen und einer männlichen Aufsichtsperson begleitet werden. Geeignet sind Lehrkräfte und pädagogisch-therapeutisches Fachpersonal.“ Zusätzlich fordert die Lehrerkammer eine Klarstellung für SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf und ihre nötigen zusätzlichen Begleitungen und schlägt die Ergänzung vor: „Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden bei Bedarf von einer zusätzlichen, vertrauten Betreuungsperson begleitet.“
zu 4: In diesem Passus wird die LehrerIn allein für Aufsicht und Fürsorge verantwortlich gemacht. Begleitpersonen, die keine LehrerInnen sind, übernehmen keine Verantwortung. Die LehrerIn ist also für diese Begleitperson mitverantwortlich – über deren Eignung nach Nr. 3.4 sie möglicherweise gar nichts sagen kann, wenn bspw. die Begleitung der Fahrt entsprechend angewiesen wird. Dies lehnt die Lehrerkammer ab. Klagen oder Klageandrohungen von Eltern gegen PädagogInnen nehmen zu. Diese brauchen hier Rückendeckung. – Sind ErzieherInnen, die eine Ferienfahrt im Rahmen des Ganztages durchführen (1.2.2 am Ende) von der Verantwortung ausgenommen? Hier muss in der Formulierung der Professionenmix an Schulen berücksichtigt werden.
zu 5.1: Die Lehrerkammer begrüßt ausdrücklich, dass bei Pflichtfahrten kein gesondertes Zahlungsversprechen eingeholt werden muss. Dies bedeutet eine echte Entlastung der Beschäftigten – nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell (mit den Ausführungen in Nr. 8 zu vertraglichen Verpflichtungen und finanziellem Risiko).
Unklar ist, wie detailliert die PädagogIn über die Kosten für vorzeitiges Heimschicken informieren muss. Ist ein Kostenvoranschlag eines Beförderers einzuholen? Hier schafft die Neuformulierung deutliche Mehrarbeit. Die Lehrerkammer schlägt als alternative Formulierung vor: „Die LehrerInnen oder pädagogisch-therapeutischem Fachkraft informiert… über … die … Kosten der Fahrt und die Verpflichtung, die höheren Kosten für eine vorzeitige Heimkehr der SchülerInnen und Schüler zu tragen.“
LehrerInnen (!) sollen „über staatliche Fördermöglichkeiten“ informieren. Dies setzt eine Information über solche Möglichkeiten voraus, die es bislang aber nicht gibt. Die Lehrerkammer schlägt vor, dass die Behörde stattdessen ein Informationsblatt entwickelt, das der Elterninformation über die Kosten nur noch angehängt werden muss.
zu 6.2: Die Fristen für die Genehmigung werden drastisch verlängert: Für längere Fahrten von 6 Wochen auf 6 Monate (= vervierfacht!), für kleinere Fahrten – etwa Museumsbesuche – von zwei auf vier Wochen. Die Lehrerkammer hält dies für völlig übertrieben. Die Konsequenzen werden sein, dass Schulfahrten zu Beginn eines Bildungsganges/einer Neuzusammenstellung von Lerngruppen kaum noch organisiert werden können. Im Klartext: Kennenlernreisen bspw. für Fünftklässler sind nur noch drei Tage lang möglich (davon zwei Reisetage) – mit entsprechend begrenzten pädagogischen Effekten in den Teamfindungsphasen des Storming und Norming. Und wo aus dem Unterrichtsgeschehen der Bedarf entsteht, kurzfristig einen außerschulischen Lernort aufzusuchen, ist dies durch den verdoppelten Vorlauf deutlich erschwert. Die Lehrerkammer sieht keinen Grund für die Verlängerung der Fristen: Eltern sind über die Höchstkostensätze grundsätzlich informiert und können finanzielle Belastungen langfristig planen. Für die Finanzplanung der SBF der Schulen gilt dasselbe – hier lassen sich leicht Rückstellungen einrichten bzw. intern Kostenrahmen definieren. Die Lehrerkammer fordert eine Rückkehr zur alten Regelung.
zu 7.3: Die Lehrerkammer begrüßt, dass die Härtefallförderung bleibt, kritisiert aber die Streichung der Teilbudgets für Schülerzuschüsse für Schulfahrten und fordert die Beibehaltung der alten Regelung.
Die Lehrerkammer kritisiert folgende im Manteltext formulierte Anweisung an die Schulleitungen: „Die Vergünstigungen werden nicht auf alle Reiseteilnehmer umgelegt, sondern kommen in voller Höhe bei der Erstattung der Lehrerreisekosten zum Einsatz.“ Da die Teilnahme einer Lehrkraft notwendigerweise Kosten mindestens in Höhe der Kosten einer SchülerIn verursachen, bedeutet dies, das letzten Endes die SchülerInnen die Reisekosten der Begleitpersonen anteilig tragen. Nach Auffassung der Lehrerkammer widerspricht das ebenfalls der Bekanntmachung über die Annahme von Belohnungen und Geschenken von 2015.
zu 8.1: Diese gute neue Regelung bietet klare Vorteile für die PädagogInnen und begrenzt deren Risiko durch (zu) spät rücklaufende Zahlungsverpflichtungen der Eltern, das nach der alten Regelung auch bei Pflichtfahrten bestand.
Die Lehrkraft schließt die für die Schulfahrt erforderlichen Verträge für die Schulfahrt ab, d. h. die Lehrkraft ist alleiniger Vertragspartner. Dies hält die Lehrerkammer für fragwürdig – ebenso die gängige Praxis, dass Lehrkräfte die Beträge über ein persönliches Treuhandkonto abwickeln, im schlimmsten Fall über ihre Privatkonten. Hierzu sind perspektivisch Alternativen zu entwickeln (etwa schulisch zugeordnete Treuhandkonten, auf die PädagogInnen anlassbezogenen Zugriff haben).
zu 9.2: Der Lehrerkammer ist unklar, wer darüber entscheidet, ob die Teilnahme einer problematischen SchülerIn verantwortet werden kann und fordert eine Klarstellung. Sie schlägt des weiteren eine Änderung im ersten Satz wie folgt vor: „.. so entscheidet auf Antrag der die Reise leitenden Person und nach Rücksprache mit den Sorgeberechtigten und der KlassenlehrerIn die Schulleitung über die Teilnahme.“
zu den Höchstkostensätzen: Die Lehrerkammer begrüßt die längst überfällige Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung.
als pdf: LKSt_160414-Schulfahrten