Stellungnahme zum Verfahrensvorschlag zur Information der Eltern- und Schülervertreter über die KERMIT-Ergebnisse
Die Lehrerkammer nimmt den Vorschlag zum Verfahren der Bekanntgabe der Kermit-Ergebnisse zur Kenntnis. Sie sieht darin ausgesprochen kritische, systembedingte Punkte, unterstützt aber die Intention der Behörde, Wildwuchs der Bekanntmachung von Testungsergebnissen zu verhindern.
Die Lehrerkammer ist der Ansicht, dass zahlengestützte, sogenannte empirische Ergebnisse den schulischen Bildungsprozess kaum im Ansatz erfassen können. Pädagogik ist eine Geisteswissenschaft, die sich auf soziale Verstehensprozesse gründet. Pädagogisches Wirken lässt sich daher nicht zahlenmäßig erfassen oder gar mit den Mitteln der (Finanz-)Mathematik als Gleichung zur Unbekannten u wie Unterrichtsqualität auflösen. Darauf hat die Lehrerkammer bereits in ihrer Stellungnahme zum Orientierungsrahmen Schulqualität vom 13.09.12 hingewiesen (bes. S. 1 und 2; als pdf: LKSt_120913_Schulqualitaet). Hier ist durch die Behörde geradezu ein Eigentor erzielt worden: Dass die (politische) Öffentlichkeit in der letzten Zeit eine Vorliebe für die einfachen, weil brutal vereinfachten, scheinbar objektiven Zahlenwerte geradezu scharf ist, ergibt sich als logische Schlussfolgerung aus dem grundlegenden Missverständnis auch der Behörde, dass das Wesen der Pädagogik zahlenmäßig zu bestimmen sei. Ein Schluss von der getesteten Leistung auf die Qualität des Unterrichts ist grundsätzlich nicht möglich.
Das blinde Vertrauen in den Aussagewert von Zahlenkolonnen mündet konsequenterweise in ein öffentliches Ranking: Was sollte an diesem verwerflich sein, wenn alles, was es an Schulqualität zu verstehen gibt, in den Zahlen läge? Doch nicht nur die Öffentlichkeit ist heiß auf die Zahlen, sondern auch an den Schulen finden sich – vorerst vereinzelte – Bestrebungen, die Kermit-Ergebnisse in die Beurteilungsverfahren der KollegInnen einzubeziehen. In beiden Fällen werden die Anstrengungen der KollegInnen und der Schulen gleichermaßen dahin gehen, die Testergebnisse zu manipulieren, d. h. die Testformate und Anwendungsbeispiele mit den Klassen solange zu trainieren, bis die richtigen Zahlen herauskommen. Es liegt auf der Hand, dass das Wenige, was Kermit zur Verbesserung der Unterrichtsqualität leisten konnte, damit ganz verloren gehen wird. In Zukunft werden wir daher mit viel Arbeitsaufwand puren Datenmüll produzieren. Wer Rankings aus diesen Daten produzieren will, macht sich mit schuldig an der Datenentwertung.
Die Lehrerkammer plädiert für eine energische Entthronung der bloß scheinobjektiven Zahlenwelt. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht auch die Ergebnisqualität der Schulen in den Blick genommen werden kann.
Zum vorgeschlagenen Verfahren:
Die Lehrerkammer begrüßt, dass die Schulen über das demokratisch legitimierte Mitbestimmungsgremium der Schulkonferenz eine Kontrolle über die Weitergabe der Daten zumindest im Grundsatz herstellen können. Schulentwicklung braucht Ruhe vor öffentlichen Entrüstungsstürmen und dem ungeschickten Aktionismus, der darauf folgt. Die Lehrerkammer begrüßt trotz der problematischen Aussagekraft, dass die Daten immer im Zusammenhang der Vergleichsschulen/sozialen Lage gezeigt werden. So ist in Ansätzen ein Verständigungsprozess über die Ursachen am konkreten Standort anhand der Zahlenwerte möglich. SchülerInnen sind kein genormter Rohstoff, der in einem standardisierten Prozess zu einem standardisierten Endprodukt verarbeitet werden könnte!
Die Lehrerkammer fordert, dass auch für Anfragen der Öffentlichkeit Kermit- und andere Daten nie ohne die jeweilige Vergleichsgröße bekanntgegeben werden. Darauf muss auch in den Präsentationen, die das IfBQ für die Schulen erstellt, für Laien verständlich hingearbeitet werden – auch, indem auf die begrenzte Aussagekraft zahlenmäßiger Verfahren für die Ursachen von Bildungseffekten
hingewiesen wird.
Die Lehrerkammer fordert ein ausdrückliches Verbot der Nutzung von Kermit-Daten für die Beurteilung von KollegInnen. Nur so können Manipulationen auf Schulebene vermieden und die Aussagekraft im Ansatz noch gerettet werden.